Wer ist Ihr Schatzmeister?
Was eine „Treasuryabteilung“ oder ein „Treasurer“[1] macht,
ist für viele schwierig zu definieren.
Das englische Wort „treasure“ bedeutet Schatz; das Treasury im ursprünglichen Wortsinn ist das Schatzamt eines Staates, also innerhalb des
Finanzministeriums diejenige Stelle, die das Staatsvermögen und die Staatsschulden verwaltet. In England wurde der Schatzmeister, der Treasurer, um das Jahr 1126 von König Heinrich I.
eingeführt.
Was macht das Treasury?
Im Unternehmen sind die Treasuryfunktionen Teil des kaufmännischen Bereichs und umfassen im Wesentlichen die Unternehmensfinanzierung (Corporate Finance), das Cash Management und den Zahlungsverkehr, das Zins- und Währungsmanagement sowie die Geldanlage. Kurz gesagt: Treasury ist zuständig für alle Themen rund um die Liquidität.
Wo ist das Treasury organisatorisch angesiedelt?
In kleineren und mittleren Unternehmen sind die Treasuryaufgaben meistens in das Rechnungswesen integriert. Weil der Zahlungsverkehr eng mit der Buchung der zugrundeliegenden Geschäftsvorfälle verknüpft ist, werden die Bankgeschäfte vom Buchhalter oder der Buchhalterin quasi mit erledigt. Mit wachsender Unternehmensgröße oder in komplexen Finanzierungssituationen wird man jedoch zusätzliches Know-how aufbauen oder extern einkaufen.
Warum ist ein perfekter Buchhalter nicht automatisch ein perfekter Treasurer?
Die Hauptaufgabe des Rechnungswesens ist es, Geschäftsvorfälle sachgerecht abzubilden. Es informiert den externen Leser (z. B. das Finanzamt, die Gläubiger und Anteilseigner) möglichst korrekt und umfassend über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Das Rechnungswesen ist also vorwiegend vergangenheitsorientiert. Treasury hingegen soll steuern, ist zukunftsorientiert und planend.
Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Funktionen soll als einfaches Beispiel ein Fremdwährungsumsatz dienen:
Wann kommt der Umsatz in der Buchhaltung an? Erst dann, wenn die Rechnung geschrieben und Forderung und Umsatz gebucht werden. Im Regelfall würde der Geschäftsvorfall zum Tageskurs gebucht und bei Bezahlung ggf. noch um die Währungsdifferenzen korrigiert. Was in Euro auf dem Bankkonto landet, kann also deutlich nach oben oder unten von der ursprünglichen Kalkulation abweichen. Das Treasury hingegen ist idealerweise schon in der Phase der Angebotskalkulation eingebunden, es stellt dem Vertrieb und/oder dem Controlling einen realistischen Fremdwährungskurs für das geplante Geschäft zur Verfügung. Um Ergebnisverschlechterungen aufgrund von Währungsschwankungen bis zur Realisierung des Umsatzes zu vermeiden oder zumindest möglichst klein zu halten, werden für diesen Kurs Sicherungsstrategien entwickelt und umgesetzt. Analog begleitet das Treasury auch den Einkauf.
Angenommen, die Umsätze waren nicht währungsgesichert und die Fakturierungswährung, z. B. der US-Dollar, wurde bis zur Bezahlung deutlich schwächer. Wann fällt das im Controlling oder Rechnungswesen auf? Erst ein paar Wochen später, wenn hoffentlich der Monatsreport oder die Betriebswirtschaftliche Auswertung vom Steuerberater vorliegen?
Angenommen, der Kunde zahlt trotz Mahnung viel zu spät oder hält immer wieder Beträge unter Vorwänden zurück. Wann fällt das auf? Wann reklamiert Ihr Vertrieb? EBIT und Gewinn bleiben unberührt, alles wie geplant, aber die Liquidität wird (unmerklich) knapper.
Es gilt leider der Spruch: „Profit is someone's opinion, but cash is a fact.“
Verlassen Sie sich nicht alleine auf die Ergebnisplanung! Daneben benötigen Sie vom Treasury eine Liquiditätsplanung als Frühwarnsystem, das Ihnen rechtzeitig anzeigt, wenn Wolken am Planungshorizont aufziehen. Bedenken Sie: bilanzielle Überschuldung oder Verluste sind nach der gültigen Insolvenzordnung kein Insolvenzgrund mehr, eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit hingegen schon.
Wozu brauche ich einen Treasurer, ich habe doch meine Bank, die mich gut berät?
Der Treasurer muss souverän mit einem riesigen „Bauchladen“ von Finanzierungs- und Sicherungsinstrumenten umgehen können, muss deren Chancen und Risiken kennen und beurteilen können. Banken sind hier sicherlich gute Sparringspartner, aber Banken agieren immer in einer Doppelfunktion: Sie beraten den Kunden und haben gleichzeitig den eigenen Geschäftserfolg im Blick. Zudem hat auch eine langjährige Hausbank nicht Einblick in alle entscheidungsrelevanten Details im Unternehmen. Je komplexer die Finanzthemen auf Unternehmensseite sind, umso wichtiger ist ein Unternehmensvertreter, der das nötige Expertenwissen hat, um auf Augenhöhe mit Finanzinstituten und Eigenkapitalgebern verhandeln zu können und eindeutig die Interessen des Unternehmens vertritt.
Einen guten Treasurer zeichnen hochspezialisiertes Expertenwissen im Bank- und Finanzbereich, breite Kenntnisse von Controlling und Rechnungswesen, ein tiefes Verständnis der Zusammenhänge der Unternehmensbereiche und eine hervorragende Kommunikationsfähigkeit nach innen und außen aus.
Nicht jedes Unternehmen hat ständig derart komplexe Finanzierungsthemen, die dauerhaft eine eigene Treasuryabteilung rechtfertigen. Phasenweise Unterstützung kann jedoch Impulse setzen, die Strukturen verändern und Verbesserungspotentiale freisetzen oder projektbezogen im Unternehmen fehlende Expertise beisteuern.
[1] Auf die weibliche Form „Treasurerin“ wird hier verzichtet, weil sich das gerade noch schreiben aber kaum sprechen lässt. Ich verwende den Begriff geschlechtsneutral.
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